Warum konfessioneller Religionsunterricht?

Ein qualitätsvoller konfessioneller Religionsunterricht ist für mich das bestmögliche Modell schulischer religiöser Bildung. Er bietet gegenüber einer Religionskunde oder einem Ethikunterricht deutliche Vorzüge. Und das, obwohl er auch für den Staat eine große Herausforderung ist (wegen der unbestritten hohen Kosten, die er verursacht) und die Schulorganisation erschweren kann (wegen der diversen Parallelgruppen, die es zu organisieren gilt.)
Im konfessionellen Religionsunterricht wissen die Schülerinnen und Schüler, woran sie sind. Er legt die spirituelle und weltanschauliche Quelle, aus der heraus geschöpft, gesprochen und argumentiert wird, offen und macht sie transparent. Dass dies für die Entwicklung eigener Sichtweisen, Überzeugungen und Werthaltungen eine Hilfe sein kann, ist unschwer nachzuvollziehen.
Unterrichten bedeutet zuallererst: Beziehungsarbeit leisten. Unterrichtsarbeit lässt sich also nicht auf die Vermittlung von Kompetenzen oder Inhalten reduzieren und religiöse Bildung nicht auf religiöse Kompetenzen. Wir tun gut daran, pädagogische Trends auch auf dem Hintergrund des christlichen Menschenbildes kritisch zu befragen und wach zu bleiben im Hinblick auf funktionalistische oder ökonomistische Verengungen des Menschen.
Was trägt, was tröstet, im Leben und im Sterben? Hat mein Leben, hat die Welt Sinn und Ziel? – Bei der Frage nach dem Lebenssinn stellt der konfessionelle Religionsunterricht – ergänzend zu den Suchbewegungen anderer Fächer – einen weiteren Deutungshorizont zur Diskussion. Und da macht es einen Unterschied, ob ein Wert- und Sinnangebot „nur“ referiert wird oder ob damit auch eine Auseinandersetzung aus christlicher Perspektive und mit den vielen neuen Fragen, die dadurch auftauchen können, verbunden ist.
Der konfessionelle Religionsunterricht stellt sich der Religionskritik und dem Atheismus. Dabei gibt es kein Zurück hinter Feuerbach und seine Erben. Aber der naiven These, die zuletzt vor allem im Zusammenhang mit der Islamdebatte ventiliert wurde, Glaube wäre per se irrational und Unglaube rational, dürfen wir durchaus selbstbewusst widersprechen und eine differenzierte Debatte auch auf philosophischer Ebene einfordern. Thomas Nagel, der von sich sagt, ihm fehle der "sensus divinitatis" [1], hat zuletzt die Grenzen des gängigen naturwissenschaftlichen Weltbildes deutlich aufgezeigt.
Der "objektive Blick von nirgendwo" bleibt ein unerfüllbarer Traum. Denn der Blickwinkel des Beobachters ist immer Teil dessen, was wir sehen. Das gilt nicht nur für die Theologie, für eine Gedichtinterpretation, die Beschreibung historischer Ereignisse oder politischer Zusammenhänge, sondern auch für die Naturwissenschaft.
Der Religionsunterricht bietet neben dem erkenntnistheoretischen auch einen demokratiepolitischen Mehrwert: Demokratie bedeutet, dass die Bürgerinnen und Bürger ihre Interessen selbst vertreten. Deshalb sollen die Kirchen und Religionsgemeinschaften die Möglichkeit haben, im öffentlichen Raum authentisch und von "innen heraus" zu sprechen, zugleich aber auch in das politische Gesamtgefüge und die damit verbundene Kontrolle eingebunden sein.
Es ergibt einen Unterschied, ob jemand als Insider spricht oder ob über Religion gesprochen wird. Wir brauchen gut ausgebildete Religionslehrerinnen und Religionslehrer, die auch ein fundiertes religiöses Fachwissen vermitteln sowie Vorurteile und Klischees kritisch reflektieren. Gerade im Hinblick auf radikale und fundamentalistische Versuchungen, die es in jeder Religion geben kann, sei das gesagt, nicht aus katholischer Selbstherrlichkeit heraus. Extremistischen Strömungen begegnet man am besten durch Integration jener, die Argumenten noch zugänglich sind und nicht ins soziale Abseits geraten. Die Schule und der konfessionelle Religionsunterricht leisten hier einen noch vielfach unterschätzen Beitrag.
Mein Bekenntnis zum konfessionellen Religionsunterricht ist zugleich ein Plädoyer für interkonfessionellen und den interreligiösen Dialog. Dieser Dialog bedarf aber eines konfessionellen Bewusstseins und einer entsprechenden Rückbindung an die eigene Glaubensgemeinschaft. Die Möglichkeiten von Kooperationen sind allerdings bei Weitem nicht ausgeschöpft.
In Goethes Faust versteht es Mephisto vortrefflich, die Unruhe des Menschen und seine Sehnsucht nach bleibendem Glück so weit auszunutzen, dass Faust ihm sogar seine Seele verspricht, wenn es Mephisto nur gelänge, ihm jene Momente zu verschaffen, die er für immer festgehalten wissen will, ein Stück Ewigkeit also. Letztlich will er ihn damit zur Preisgabe der spirituellen Dimension des Menschen überreden, zum "Transzendenzverrat".[2] Es ist das auch eine der großen Versuchungen unserer Zeit.
HR Mag. Franz Asanger
Direktor Bischöfliches Schulamt der Diözese Linz
[1] vgl.: Thomas Nagel: Geist und Kosmos. Warum die materialistische neodarwinistische Konzeption der Natur so gut wie sicher falsch ist, Suhrkamp Verlag Berlin 2013, S.24. [2] Rüdiger Safranski: Goethe. Kunstwerk des Lebens, Carl Hanser Verlag München 2013, S.610.
